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Expedition zum Manaslu, Herbst 2019

Gipfelerfolg am Manaslu (8.163 m)

Am Vormittag des 26. September 2019 erreichten wir nach einem fünftägigen Aufstieg den Gipfel des 8.163 m hohen Manaslu.

Aufbruch zum Gipfel

Wie geplant starteten wir am 22. September nach dem Mittagessen Richtung Lager 1. Das gute Wetter sollte sich erst in ein paar Tagen einstellen, weshalb wir uns über die 15 cm Neuschnee und die vielen Wolken nicht wunderten. Der Weg zu unseren Zelten auf 5.600 m kannten wir inzwischen schon bestens, nach 3 Stunden waren wir am Ziel der ersten Etappe.

Wie gewohnt schneite es in der Nacht, doch am nächsten Morgen zeigte sich das Wetter von seiner besten Seite. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft am Manaslu vor zwei Wochen sahen wir die beeindruckenden Berge des Mansiri Himal.

Aufstieg ins Lager 4

Wider Erwarten ist auch in einer Höhe von 6.000 m gerade die Hitze das, was einen im Aufstieg am meisten Energie kostet. So war es auch bei unserer Etappe zum Lager 2. Wir waren fast durchwegs im Nebel unterwegs und die durchscheinende Sonne strahlte in einer mörderischen Intensität.

Der nächste Tag sollte erholsamer werden, die knapp 400 Höhenmeter zum Lager 3 brachen wir in drei Stunden hinter uns, genügend Zeit für ein bisschen Entspannung, gutes Hochlager-Essen und viel Flüssigkeit.

Ab jetzt wurde es ernst, denn Lager 3 war für uns der bislang höchste Punkt am Manaslu. Die beiden folgenden Tage versprachen anstrengend zu werden, doch wir waren für den weiteren Aufstieg bestens motiviert.

Früh am Morgen brachen wir von unserem Lager auf 6.720 m auf. Nach Erreichen eines Sattels wurde der Weg immer steiler, führte über eine kurze senkrechte Stelle zu einer Querung, die an einem weiteren Sattel endete, in dem unser Lager 4 (7.445 m) stand.

Nachdem wir unsere Zelte ein bisschen verbessert hatten (man will ja auch auf dieser Höhe gut gebettet sein) ging es ans Wasserschmelzen und Kochen. Ich dachte es wäre eine gute Idee, auf fast 7.500 m einen Lachs mit Nudeln zu Abend zu essen. Zur Absurdität des Höhenbergsteigen passt doch ein für hier absurdes Essen.
Ich kann leider nicht sagen, dass es besonders gemundet hat. Ob es nun an meinem Appetit, dem Lachs oder dem Koch der Fertigmahlzeit lag, weiß ich nicht.

Danach war Zeit fürs Bett – oder besser gesagt – den Schlafsack. Viel Schlaf war uns nicht gegönnt, denn der Wecker war auf 23:00 Uhr gestellt.

Zum Gipfel des Manaslu

Nach einem guten Frühstück bestehend aus Schüttelbrot, Frischkäse und Kaffee war es Zeit, sich in Daune einzupacken, in die Expeditionsschuhe zu schlüpfen, die Steigeisen anzuschnallen und den Rucksack zu schultern. Um 1:15 Uhr ging es los.

Wir waren bei weitem nicht die einzigen, die heute den Gipfel als Ziel hatten. Im Gegensatz zum größten Teil der anderen Bergsteiger waren wir jedoch ohne Unterstützung von Flaschensauerstoff unterwegs.

Der Weg führte uns erst über den angenehm geneigten Gletscher zu zwei Steilaufschwüngen. Mit milden -18 °C und kaum Wind hatten wir perfekte Bedingungen für den Aufstieg. Ohne zusätzlichen Sauerstoff spürten wir jeden Meter, den wir höher stiegen, was uns zunehmend einbremste. Das löste ein Problem, das mich schon seit Tagen beschäftigte. Mingma Sherpa, mit dem ich 2011 am Mount Everest unterwegs war, erzählte mir, dass er im Vorjahr mit seinen Kunden zweieinhalb Stunden knapp unterhalb des Gipfels warten musste, bis sie die letzten Meter angehen konnten.

Wir legten einige Pausen ein und irgendwann, noch ein gutes Stück vom Gipfel entfernt, kamen uns die Ersten entgegen, mit dem Gipfelerfolg im Gepäck und einer Sauerstoffmaske vor dem Gesicht. Nach 8,5 Stunden Aufstieg waren wir beim Rucksackdepot, nur wenige Meter unterhalb des Gipfels. Wir machten eine Pause und warteten auf die Langsameren in unserer Gruppe.

Um 10:50 Uhr standen wir, 4 Teilnehmer, die Hochträger Jangbu und Karma Sherpa und ich, am Gipfel auf 8.163 m. Glücklich machten wir Gipfelfotos und gratulierten uns gegenseitig zum Erfolg. Der Ausblick war eher bescheiden, leider versperrte uns Nebel die Sicht auf die Welt unter uns.

Nach einer kurzen Pause beim Rucksackdepot ging es wieder hinunter. Die zwei Stunden bis zum Lager 4 zogen sich. Die Sonne brennte unerbittlich auf den Gletscher und wurde vom Nebel reflektiert, was uns recht bald die Daunenjacken ausziehen ließ.

Wieder im Lager 4 angekommen galt es, Tee zu kochen, ein wenig zu essen und fehlenden Schlaf nachzuholen. Wir mussten wieder fit für den weiteren Abstieg am folgenden Tag werden.

Abstieg ins Basislager

Die Nacht auf 7.445 m war unerwartet erholsam und nach dem Frühstück ging es mit schweren Rucksäcken bergab. Bei jedem Lager, an dem wir vorbei kamen, wurden die Rucksäcke schwerer, da weitere Ausrüstung und Müll eingeladen werden musste. Der zusätzliche Sauerstoff in den Lungen konnte die zunehmende Last auf unseren Rücken leider nur fast ausgleichen. Nach 9 Stunden erreichten wir erschöpft und überglücklich das Basislager.

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Glücklich wieder zurück im Basislager nach einer anstrengenden, aber großartigen Zeit am Berg

Ein Teilnehmer unserer Gruppe fühlte sich am Gipfeltag nicht fit genug für den weiteren Aufstieg und blieb im Lager 4. Dort konnte er sich so gut erholen, dass ihm und dem Hochträger Mingma Tenji Sherpa am darauffolgenden Tag der Aufstieg zum Gipfel gelang. Wie wir stieg er nach einer weiteren Nacht im Lager 4 ins Basislager ab.

Ein weiterer Teilnehmer brach die Expedition bereits während der Akklimatisationsphase ab und reiste früher nach Hause.

Zurück in die Heimat

Nach einem entspannten Ruhetag im Basislager brachen wir unsere Zelte ab und stiegen nach Samagaon ab. Für den Teilnehmer, der den Gipfel einen Tag nach uns erreicht hat, gab es keinen Ruhetag. Er ging in einem Zug durch, vom Gipfel bis zum Ende des Trekkings in Soti. Starke Leistung!
Zwei Teilnehmer zogen eine Rückreise per Helikopter dem Trekking vor und verließen uns in Samagaon.

Eigentlich hätten wir uns noch viel Zeit für den Rückweg lassen können. Da am Manaslu alles so reibungslos funktioniert hat und sämtliche Wettergötter auf unserer Seite waren, konnten wir den Berg eine Woche vor dem geplanten Termin verlassen. Doch weil es uns wieder in Heimat zog brachten wir die 104 Trekkingkilometer von Samagaon nach Soti in vier Tagen hinter uns. Es folgten 8 Stunden Autofahrt nach Kathmandu, ein Debriefing beim Tourismusministerium und der vorverlegte Flug in die Heimat.

Eine grandiose Zeit, ein unvergessliches Erlebnis und knapp 6 Wochen mit unzähligen großartigen Eindrücken gingen zu Ende. Schön war’s!

Kommerz am Manaslu

Wir nutzten für unseren Aufstieg zum Gipfel das erste in dieser Herbstsaison mögliche Wetterfenster. Dementsprechend viele Menschen waren am Berg unterwegs. Heuer sollen 300 Kunden und Kundinnen den Manaslu versucht haben. Hinzu kommen Hochträger*innen, Köch*innen sowie Küchen- und Hilfspersonal. Die größte Agentur am Berg war mit 67 Kund*innen und 82 Hochträger*innen vertreten.

Am „Crampon Point“, dem Steigeisendepot, ab dem es am Gletscher weitergeht, beginnt ein Fixseil, das bis zum Lager 4 hinauf reicht. Nur auf wenigen Abschnitten gibt es kein Seil, in das man sich einhängen kann und das eine gewisse Sicherheit zumindest vortäuschen kann. Zwischen Lager 2 und 3 führen drei Aluleitern über tiefe Gletscherspalten. Beim Weg zum Gipfel sind alle steileren Passagen mit Seilen versichert, der Rest ist mäßig steiles und spaltenfreies Gelände. Ein Verirren ist auch ohne Fixseil kaum möglich, denn die Spur hat sich meist einen halben Meter tief in den Gletscher gefressen.

Das alles klingt wohl sehr nach Kommerz und Verkauf des Berges. Bilder von anderen hohen Bergen im Himalaya mit hunderte Meter langen Menschenschlagen kommen einem bei dieser Vorstellung unweigerlich in den Sinn. Und es gibt sie auch hier. An geschäftigen Tagen sieht man vor den Steilstufen, wie sich zahlreiche an Fixseilen aufgefädelte Bergsteiger*innen nur äußerst langsam vorwärts bewegen.

Das Fixseil hat der Normalroute eines so beliebten Berges eine Berechtigung, obwohl der selbstständige Alpinist wohl lieber „pur“ unterwegs sein würde. Der Auf- und Abstieg ohne diesem wäre deutlich anspruchsvoller und gefährlicher. Ein rasches Vorankommen und ein schneller Rückzug sind ohne Fixseil und ausgetretener Spur schwieriger, in gefährlichen Abschnitten müsste man sich meist deutlich länger aufhalten. Sowohl für Bergsteiger*innen als auch für die Hochträger*innen wäre es nur möglich, in Gletscherseilschaft unterwegs zu sein, was vor allem den Materialtransport erschweren würde.

Trotz der oben aufgezählten Nachteile des Höhenbergsteigens an beliebten Himalaya-Gipfeln ist und bleibt es ein großartiges Erlebnis, das ja nicht nur aus dem Gehen am Fixseil besteht. Es beginnt mit dem Anmarschtrekking in einer Zeit, in der die Pfade und Lodges nur von wenigern Trekker*innen bevölkert wird.
Das Leben im Basislager mit einem Komfort, der sich von dem gewohnten in den eigenen vier Wänden erheblich unterscheidet, hat einen besonderen Reiz. Dort zaubern Köch*innen mit ihren beschränkten Möglichkeiten jeden Tag aufs Neue bestes Essen auf die Tische. Hilfsbereite und außerordentlich starke Hochträger*innen sind am Berg mit Rucksäcken unterwegs, mit denen die meisten Expeditionsteilnehmer*innen wohl kaum den Gipfel eines 3.000ers erreichen würden.

Und nicht zuletzt sind da die vielen Bergsteiger*innen, die alle ein gemeinsames Ziel haben. Den höchsten Punkt eines imposanten Berges. Alle sind hoch motiviert und niemand weiß genau, was in den kommenden Wochen am Berg auf einen zukommen wird. Es ist eine Herausforderung für jede und jeden, egal ob schon 12 Achttausender im Gepäck sind oder hier am Gletscher neben dem Basislager das erste Mal mit Steigeisen gegangen wird. Egal, ob mit oder ohne Flaschensauerstoff. Egal, ob vor dem Lager 1 schon aufgegeben oder der Gipfel in Rekordzeit erreicht wird. Es ist ein Erlebnis und Abenteuer. Und das in einer unheimlich eindrücklichen und imposanten Natur, die man nicht nur spüren und hören kann, wenn nach Schneefall im Minutentakt Lawinen die nahe Südostwand des Naike Peaks hinunterdonnern.

Ich habe am Berg zwischen Teilnehmer*innen, Hochträger*innen und Bergführer*innen immer ein „Miteinander“ erlebt und gesehen, und kein „Gegeneinander“. Egal ob aus Mitteleuropa, Nepal, Südamerika, China, Russland, Iran oder den USA, es wird gegrüßt, geredet, Erfahrungen ausgetauscht und, wenn erforderlich, Hilfe angeboten. Ein solcher Gipfel kann nur mit der Unterstützung Anderer erreicht werden, nie im Alleingang.
Kleine Konflikte gibt es natürlich auch am Berg. Es wäre sehr verwunderlich, wenn die Unstimmigkeiten gerade an einem Ort ausblieben, an dem Höhenkopfschmerz, Wind, Kälte, Harndrang und Nervosität durchgeschlafene Nächte selten machen.

Bei meiner Bergführertätigkeit an den populäreren Gipfeln der West- und Ostalpen herrschen oft bedenklichere Zustände. Überfüllte Hütten, überteuertes und nicht unbedingt wohlschmeckendes Essen, stundenlanges Anstehen vor Seilbahnen und Bergsteigerschlangen auf einfachsten Normalwegen sind keine Seltenheit. Viel zu oft treffe ich Menschen auf anspruchsvollen Gletschertouren, die bislang höchstens beim Mixen von Gin Tonics Erfahrungen mit Eis gesammelt haben.

Die Verwendung von Flaschensauerstoff, das Gehen am Fixseil und die Inanspruchnahme der Hilfe von Hochträger*innen nehmen einer solchen Unternehmung zweifellos viel von ihrer Ernsthaftigkeit und schmälert auch den Erlebniswert des Höhenbergsteigens. Doch auch in den Alpen würde nur ein Bruchteil der Bergsteiger*innen die höchsten Gipfel erreichen, wenn sie nicht Seilbahnen, bewirtete Hütten, hochgeflogenes Essen, markierte Wege, Stahlseile und Leitern benützen würden. Wie sähen wohl Ortschaften wie Zermatt, Chamonix, Sölden oder Lech ohne Lifte und ohne Touristen aus?

Es ist leicht daheim zu sitzen und über Menschen und Zustände zu urteilen, von denen man denkt sie zu kennen, nur weil man sich den Bericht oder das Bild einer Momentaufnahme verkaufen hat lassen. Das Beste ist, selbst raus- und raufzugehen. Die Bergwelt ist grandios und die Natur überwältigend.

Erfolg und Misserfolg

Während den Aufstiegen zu den Lagern und zum Gipfel sind mir viele Gedanken durch den Kopf gegangen. Natürlich auch Überlegung, wie ich mich nach dieser Expedition ohne erreichten Gipfel fühlen würde. Ja, das Umdrehen ist ein Teil des Bergsteigens, aber das Erreichen des höchsten Punktes auch. An den zwei von mir geführten 7.000er-Expeditionen mussten wir umdrehen, einmal aufgrund der hohen Lawinengefahr, das andere Mal wollten Wetter und Verhältnisse ganz und gar nicht mitspielen. Die Gründe können meist nicht beeinflusst werden, dennoch hat eine Abreise ohne den Gipfel erreicht zu haben schon einen leicht unschönen Beigeschmack.

Gerade für mich als Bergführer hat das Erreichen des höchsten Punktes eine große Bedeutung. Ich will für alle Teilnehmer*innen die besten Bedingungen schaffen, dass sie an ihrem Ziel – dem Gipfel – ankommen. Sicherheit und Gesundheit sind ohne Frage das oberste Gebot, aber gleich danach kommt der Gipfel.

Ein so hoher Berg ist für jeden Bergsteiger und jede Bergsteigerin eine große physische und psychische Herausforderung, Bergführer zu sein hilft diesbezüglich wenig. Es reicht eine kleine Erkältung, ein bisschen Durchfall, eine kleine Verletzung, ein kurzes Motivationstief, und schon sind die Chancen dahin. Auch wenn man bestens darauf vorbereitet ist und auf viel Erfahrung in hohen Bergen zurückgreifen kann. Es ist eben schon ein bisschen mehr, als am Wochenende schnell mit zwei Kunden am Seil auf den Mont Blanc zu steigen.

Als Bergführer fühle ich bei Expeditionen noch einen zusätzlichen Druck, denn der Erfolg der Teilnehmer hängt zu einem bestimmten Teil auch von meinem ab. Doch ich war ziemlich sicher, dass unsere Chancen gut stehen. Mein Jahr fing mit ja einem windstillen Gipfeltag am Aconcagua an, ging mit einem Erfolg am Elbrus weiter und brachte mich neben vielen Alpengipfeln auch auf einer neuen Route zum höchsten Punkt eines peruanischen 6.000ers…

Meine Freude über das Erreichen des Gipfels am Manaslu war wahrscheinlich größer als die der Teilnehmer. Denn ich durfte auch einen Teil dazu beitragen, dass sich andere Menschen einen großen Traum erfüllen konnten.

Kurz vor Mitternacht nach unserer Ankunft in Kathmandu setzte ich mich in die Hotelbar des Yak & Yeti, bestellte ein überteuertes Bier, stieß mit mir selbst an und freute mich ganz privat und leise über diese großartige Reise.

Auf dass viele Weitere folgen, am liebsten mit genauso starken und motivierten Kunden und Kundinnen, wie am Manaslu!

Erster Gipfelversuch 8.163 m

Die Akklimatisationsphase ist abgeschlossen und zwei Ruhetage haben uns ein bisschen Energie zurückgebracht. Morgen Sonntag starten wir zum Gipfel, den wir am Donnerstag erreichen wollen – wenn alles so klappt, wie geplant.

Vor einer knappen Woche sind wir zu unserer letzten Akklimatisationsrunde aufgebrochen. Die Wettervorhersage war zwar nicht perfekt, doch davon ließen wir uns nicht abhalten.

So ging es hinauf ins Lager 1 (5.600 m), am nächsten Tag für die erste Nacht ins Lager 2 auf 6.350 m. Auf dieser Route geht es schon richtig zur Sache. Dem oft nicht sehr vertrauenswürdigen Fixseil entlang führt der Weg teilweise auf Leitern über tiefe Gletscherspalten und hinauf über stellenweise senkrechte Gletscherabbrüche. Hier erfährt man, warum der Manaslu ist nicht als der einfachste, und auch nicht als der objektiv sicherste Achttauender bekannt ist.

Auf der Höhe des zweiten Hochlagers fühlten wir uns noch recht wohl, und trotz angekündigtem Schneefall verlebten wir die erste niederschlagsfreie Nacht am Berg. Dafür war sie mit -14 °C im Vorzelt recht kalt.

Am Mittwoch stiegen wir weiter auf. Das Wetter verschlechterte sich und bei stetigem Schneefall ging es über zwei weitere Steilstufen zum Lager 3 auf 6.720 m. Es waren zwar nur knapp 400 Höhenmeter, aber weil wir für diese Höhe noch nicht akklimatisiert waren und die Rucksäcke ein ordentliches Gewicht hatten, war es doch recht anstrengend. Nachdem wir unseren Hohträgern Mingma Tenji und Karma beim Aufbau der Zelte und – ganz wichtig – des Lokus geholfen hatten, entspannten wir in unseren Schlafsäcken und versuchten, die im Aufstieg verlorene Flüssigkeit wieder nachzufüllen.

Die kommende Nacht war mild und brachte neben 30 cm Neuschnee auch Kopfschmerzen mit sich. Kaffee, Schüttelbrot und Frischkäse machten uns aber wieder fit für den Abstieg ins Basislager. Den Alternativplan – noch ein paar Höhenmeter aufzusteigen und dann noch eine Nacht in Lager 3 zu verbringen – verwarfen wir, da noch keine Fixseile weiter hinauf führten und weil ein logistischer Fauxpas unser kulinarische Vielfalt am Berg vorerst sehr stark einschränkte. Anders ausgedrückt, wir hatten fast nichts mehr zum Essen.

Im Basislager wurden wir mit einem feinen Mittagessen empfangen, der Nachmittag brachte eine Dusche, Entspannung, Bier, Speck, Käse, Oliven, Knäckebrot und Rotwein mit sich, und in der Nacht wurde der fehlende Schlaf nachgeholt.

Die folgenden Ruhetage gestern und heute waren wichtig, denn wenn auch noch mehr als 1.400 Höhenmeter bis zum Gipfel fehlten, waren es doch recht anstrengende Tage mit schweren Rucksäcken.

Der Wetterbericht für die kommenden 8 Tage ist wie für uns gemacht. Wir starten morgen Sonntag ins Lager 1. Die ersten Tage sollten noch ein wenig bedeckt sein, was bei der sonst sehr starken Sonneneinstrahlung äußerst angenehm ist. Danach stellt sich eine stabile Gutwetterphase ein, mit mäßig starkem Wind und nicht allzu kalten -22 °C im Gipfelbereich.

Die Rucksäcke werden morgen Vormittag gepackt und nach dem Mittagesen starten wir den ersten 6 Tage langen Versuch, den 8.163 m hohen Gipfel des Manaslu zu erreichen.

Das Expeditionsleben

Das Leben am Achttausender unterscheidet sich gar nicht so stark vom Alltag daheim. Routine, Drama, Erfolg und Misserfolg – alles ist da, nur ein wenig anders.

Das Bergsteigerische: Wir haben uns eingelebt und das erste Drittel unseres Gipfelplans umgesetzt. Zwei Nächte im Lager 1 liegen hinter uns, der erste Akklimatisations- und Transportgang zum Lager 2 ist auch erledigt. Morgen folgt der zweite Streich, in drei Etappen schlafen wir uns zum Lager 3 hoch.

Natürlich sind wir superstark, motiviert und wir wissen auch, dass die schlechte Wetterprognose falsch ist. So ware die Vorhersagen bislang auch nur in Ansätzen richtig.

Der Alltag und die Dramen: Wie daheim wird auch hier getratscht und spekuliert. Wir machen uns ein wenig über die einen Nachbarn lustig und erfahren von der anderen Gruppe nebenan die neuesten Geschichten aus dem Manaslu-Universum. Da soll doch einer umgehen, der im Lager 2 Essen und Gas klaut, und danach sogar die Zelttüren weit offen stehen lässt. Es wird gemunkelt, es seie der Italiener. Warum es nicht der Rumäne, der Pole oder der Montafoner war, ist nicht klar. Gesehen hat ihn niemand, und eigentlich sind diese alle vorurteilsgeschichtlich doch gleich vorbelastet.

Und dann war da noch die Wunderheilung. Ein Teilnehmer luxiert sich beim Abstieg vom Lager zwei die Schulter, er wird in zwei mühsamen Etappen ins Basislager begleitet, wo für den nächsten Tag ein Helikopter nach Kathmandu organisiert wird. Wundersamerweise renkt sich während dem Abstieg die Schulter wieder ein, und kurz vor die Hubschrauberrettung anläuft verschwinden auch die Schmerzen und das Fortführen der Bergreise ist doch wieder möglich.

Fast so wunderlich ist das Wiederauftauchen des verlorenen Bergsteigers, der zuletzt im Aufstieg zum Lager zwei gesichtet wurde. Danach galt er als verschollen, sein Freund war besorgt, die Expeditionskollegen ratlos. Zwei Tage wird gesucht, gefragt, an Zelte geklopft – bis ein Funkspruch enthüllt, dass er sich doch im Basislager befindet. Welch Mysterium.

Ja, Religiosität wäre hier in vielen Situationen hilfreich, und es ließe sich damit so manches erklären. Statt beten und frohlocken schüttle ich jedoch immer wieder den Kopf, und in besonders kuriosen Fällen kommt sogar der Vanderbell’sche Scheibenwischer zum Einsatz.

Bei all der Aufregung kommen die gelegentlichen Ruhetage genau recht. Wie schön, dass es sie gibt. Diese vergehen jedoch unglaublich rasch. Der Expeditionsleiter einer Gruppe hat dann endlich Zeit, entspannt zwischen Teilnehmern, Basislagercrew, Hochträgern, der Agenur in Kathmandu und den Verantwortlichen in Deutschland zu vermitteln. Danach wollen Unterhosen und Merinoshirts den Dreck der letzten Tage loswerden und es sollte ja noch Speck für die kommenden Tage am Berg angegessen werden. Letzteres stellt bei dem vorzüglichen Basislager-Essen die kleinste Schwierigkeit dar. Manchmal ist auch Zeit für eine Dusche. Und weil das Internet zwischen 23:00 und 4:00 Uhr recht passabel funktioniert, kann auch die Social Media mit Bildern und ein paar Worten gefüttert werden.

Natürlich darf nicht vergessen werden, weshalb diese Ruhetage erfunden wurden: Entspannen, Kaffee trinken, sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und dabei ein gutes Buch lesen. Auch ich habe eines dabei – klassisch, aus Papier. In den letzten zweieinhalb Wochen habe ich es schon bis auf Seite 22 geschafft.

Morgen geht es wieder los, Rucksäcke werden gepackt, Gaskartuschen gezählt und beim Abendessen bleibt kein Krümel übrig, denn wir wollen doch, dass Regen und Schneefall endlich vorüber gehen…

Manaslu Base Camp

Das Trekking ist vorbei, wir sind im Manaslu Basislager auf 4.860 m angekommen und haben mit der Akklimatisation am Berg angefangen. Langsam beginnt der erstere Teil der Expedition.

Nachdem Muren die Straße nach Dharapani an mehreren Stellen unpassierbar gemacht hat, startete unser Trekking früher als geplant. Die 22 Kilometer der ersten, jetzt erweiterten Tagesetappe von Chamje nach Gowa waren ein guter und landschaftlich äußerst interessanter Einstieg. Am nächsten Tag ging es nach Bimthang, unserem letzten Lager vor der ersten großen Hürde, dem 5.135 m hohen Larkya Pass.

Nach einem Akklimtisationstag führten uns 22 km und 1.500 Höhenmeter über diesen Pass nach Samdo, Tags darauf hatten wir eine kurze Etappe nach Samagaon, der letzten Ortschaft vor dem Aufstieg ins Basislager.

Am 8. September ging es dann endlich an den Fuß des Manaslu, zum Basecamp auf 4.860 m, zu unserer Heimat für die nächsten Wochen.

Dass der Monsun noch nicht ganz vorbei ist, bekommen wir jeden Tag mit. Die Nachmittage und Nächte sind meist verregnet, aber es kommt fast jeden Tag ein bisschen Sonne raus. Jedenfalls ist das Wetter gut genug, um in die unteren Lager aufzusteigen, diese einzurichten und den Körper gleichzeitig an die Höhe anzupassen. Und die stabile Schönwetterphase brauchen wir erst in ca. zwei Wochen.

Nach einem Ruhetag im Basislager ging es schon zur Lager 1 und wieder zurück. Der folgende Tag war für die Puja reserviert. Schon in der Früh stand der Lama mit seiner roten Jacke von der Skischule Kitzbühel da. Unser Koch, die Küchenhelfer und Hochträger waren damit beschäftigt, alles für diese wichtige Zeremonie herzurichten.

Die anschließenden zwei Stunden beten, singen, trommeln und klingeln haben die Götter mit Sicherheit auf unsere Seite gebracht, nicht zuletzt aufgrund des uns selbst geopferten Whiskeys und Bier.

Jetzt kann es richtig losgehen. Die weltlichen und geistlichen Formaliäten haben wir nun hinter uns gebracht, wir sind motiviert und können die weiteren Aufstiege kaum erwarten…

Manaslu 2019 – Start Richtung 8.163 m

Die Expedition auf den 8.163 m hohen Manaslu hat gestartet. Ich darf bei dieser Reise als Expeditionsleiter für Amical Alpin dabei sein.

Meine Ausrüstung ist gepackt, 135 kg Gepäck bestehend aus Gruppenausrüstung und meinen Habseligkeiten konnten nach langen Diskussionen am Flughafen München eingecheckt werden, Kathmandu ist erreicht, weiteres Essen fürs Basislager ist eingekauft und das Briefing beim Tourismusministerium ist auch Geschichte. Es kann losgehen!

Morgen Sonntag starten wir die Fahrt Richtung Dharapani, wo unser Trekking zum Basecamp beginnen sollte. Der Monsun hat uns hier jedoch ein Steinchen in den Weg gelegt, die Brücke bei Chamje wurde weggespült, die Straße ist daher unpassierbar. Das ist nicht weiter schlimm, so beginnt unser Trekking eben ein bisschen früher, mit ein wenig Glück können wir die letzte Straßenkilometer ab Tal wieder im Allrad-Fahrzeug sitzen.

Die folgenden sieben Tage bringen uns über den Larkya Pass nach Samagaon und dann weiter zum Manaslu-Basislager auf ca. 4.900 m. Beinahe einen Monat haben wir für die Akklimatisation, die Errichtung unserer vier Lager und den Gipfelgang.

Wir sind eine tolle und motivierte Gruppe bestehend aus 6 Teilnehmern, 3 Hochträgern, einem Koch, einem Küchenhelfer, Andreas – der uns bis zum BC begleitet und dann andere Trekking-Wege geht – und mir.

Ich hoffe, dass die Kommunikation wie geplant funktioniert, denn dann kann ich auf dieser Seite und auf meinen Social Media Kanälen von unseren Fortschritten berichten.

Auch auf dem Blog von Amical Alpin wird regelmäßig über unser Ergehen am Berg berichtet.

Mit großer Vorfreude und einer mächtigen Portion Respekt vor dem Berg schicke ich beste Grüße aus Kathmandu in die Heimat und in die Welt!

Bis bald,

Stefan